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24.01.2013, Karola Boger

Hintergrund: Konzessionsvergabe- eine neue Welle der Liberalisierung (incl. Wasser)

Wie wirkt sich der Richtlinien-Entwurf zur Konzessionsvergabe auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst und Konzessionsnehmer aus?

Update: Am Ende dieses Artikel findet sich ein Abschnitt, der sich mit den in vielen Emails (ca. 25.000) und Anrufen ausgedrückten Sorgen der Menschen in Bezug auf die Wasserversorgung befasst.

Update II: Ein weiterer Teil am Ende gibt Auskunft über den aktuellen Stand nach Bekanntgabe der Kommission, die Wasserversorgung nun doch gänzlich aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen.

EU-Richtlinie über Konzessionsvergabe

Die EU-Kommission hat Ende 2011 ein neues Richtlinienpaket zur öffentlichen Auftragsvergabe und Dienstleistungskonzessionen vorgelegt, das aus drei einzelnen Richtlinien besteht.

Bürger mögens öffentlich

Alle Richtlinien sind momentan in der Beratung des Europäischen Parlaments(EP):

  • Die Richtlinie über die allgemeine Vergabe von öffentlichen Aufträgen.
  • Die sogenannte Sektorenrichtlinie über die Vergabe von Aufträgen im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste - KOM (2011)895 und
  • Die Richtlinie über die Konzessionsvergabe - KOM (2011) 897.

Die Richtlinien für die öffentliche Auftragsvergabe ist nichts neues, diese gab es bereits zuvor, sie sollen aber geändert werden. Bei der Richtlinie für die Konzessionsvergabe ist die Situation jedoch völlig neu. Zwei Probleme stehen hier im Vordergrund: Was unter einer Konzession überhaupt zu verstehen ist und ob man diese Richtlinie überhaupt braucht. Formell ist eine Konzession “die Verleihung eines Nutzungsrechts an einer öffentlichen Sache durch staatliche oder kommunale Behörde”.

Die Abgrenzung zur öffentlichen Auftragsvergabe ist nicht einfach, was sich auch an der Vielzahl von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof zeigt. Veinfacht erfolgt z.B. der Bau eines Krankenhauses im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe. Das Betreiben durch einen externen Auftragnehmer (Konzessionär) erfolgt per Konzessions-vergabe. Er übernimmt dabei, zumindest teilweise, das betriebliche Risiko.

Das EP hatte sich 2008 im Anderson-Bericht und 2011 im Rühle-Bericht aus unterschiedlichen Gründen sehr kritisch bzw. gegen eine solche Regelung ausgesprochen. Auch in Behörden in Deutschland gibt es Städte, Gemeinden, die Sturm gegen die Richtlinie laufen und der Bundesrat hat die Subsidiarität (Nachrangigkeits-Prinzip) gerügt.

Mit diesem Richtlinienpaket verfolgt die Kommission nach eigenen Angaben folgende Ziele:

  • Steigerung der Effizienz der öffentlichen Ausgaben,
  • Förderung öffentlich-privater Partnerschaften,
  • Flexibilisierung der Vergaberegeln,
  • Erleichterung der Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen an öffentlichen Vergabeverfahren
  • Die öffentliche Auftragsvergabe soll gesellschaftliche Ziele unterstützen (z.B. Nachhaltigkeit)
  • Gewährleistung von mehr Rechtssicherheit.

Im Kern wird jedoch die Zielsetzung der Strategie Europa 2020 vertieft: immer mehr der bisher vor Wettbewerb geschützten Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge sollen für private Anleger und Wirtschaftsinteressen geöffnet werden. Statt Wettbewerb über Qualität zu steuern, werden Löhne und Arbeitsbedingungen faktisch zu Wettbewerbskriterien instrumentalisiert. Statt den ungehinderten Wettbewerb durch soziale Mindeststandards zu begrenzen, ist das Signal genau entgegengesetzt: Der Staat soll auf Grundlange der Binnenmarkt-Freiheiten wettbewerbsorientiert wirtschaften. Statt als Konsequenz der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise die europäische Sozialstaatlichkeit zu stärken, droht eine weitere Aushöhlung und Schwächung.

Was soll geändert werden ?

Die im Vertrag von Lissabon verankerte Freiheit der Behörden, selbst zu entscheiden, ob sie Konzession vergeben, wird durch den Druck auf die öffentlichen Finanzen faktisch ab einer bestimmten Größenordnung zum europaweiten Ausschreibungszwang. Die Rahmenbedingungen für die öffentlichen Auftraggeber bzw. Vergabestellen, die Unternehmen, die Nutzerinnen und Nutzer und die Beschäftigten würden sich grundlegend ändern.

Betroffen davon ist auch die öffentliche Daseinsvorsorge, d.h. die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen, zu denen der Staat verpflichtet ist. Das Ziel ist dann nicht mehr, die Sicherstellung dieser Güter und Dienstleistungen für die Bürger, sondern die Organisation zu einem möglichst niedrigen Preis. Durch den Preisdruck ist Entscheidungsfreiwilligkeit der Behörden kaum mehr gegeben. Das führt faktisch zu Liberalisierung und Privatisierung. Aber auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für am Markt agierende Unternehmen z.B. auch im Hafenbereich würden sich ändern, mit starken wirtschaftlichen Auswirkungen auf die regionale Ebene.

Durch die Hervorhebung von günstigen Preisen und gleichzeitiger Reduzierung der sozialen Kriterien bei der Vergabe, z.B. auf die Integration von benachteiligten Personengruppen besteht zu befürchten, dass der Bieter-Wettbewerb ungehindert über die Löhne und sonstigen Arbeitsbedingungen stattfindet, d.h. auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und ob bei dem grundsätzliche Vorrang des Marktliberalismus auch noch ökologische Ziele bei der öffentlichen Beschaffung von Waren und Dienstleistungen verfolgt werden können, ist fraglich.

Die Verpflichtung zur Bezahlung von Tariflöhnen bei der Vergabe von Konzessionen ist ausgeschlossen. Damit ist dem Preis-Unterbietungs-Wettbewerb über Lohndumping Tür und Tor geöffnet. Die Entscheidung des EuGH im Fall Rüffert wird nicht korrigiert. Der Vorrang der wirtschaftlichen Grundfreiheiten im Verhältnis zu sozialen Rechten wird damit weiter zementiert.

Die Möglichkeit, dass verschiedene Behörden zusammenarbeiten, ist nicht vorgesehen. Statt die regionale Erbringung von Dienstleistung zu unterstützen und den regionalen Arbeitsmarkt zu stabilisieren, müsst u.U. europaweit ausgeschrieben werden.

Öffentlich-Private-Partnerschaften (PPP-Public-Privat-Partnerships) werden vorangetrieben, schön gerechnet und so der Wettbewerb zu Ungunsten der Kommunen verzerrt, obwohl das u.a. die deutschen Landesrechnungshöfe in ihrem gemeinsamen Bericht aus dem September 2011 monierten. Darin hatten sie anhand von 30 ÖPP-Projekten detailliert vorgestellt, wo die Fallstricke von ÖPPs liegen – das zentrale Ergebnis: Infrastrukturprojekte werden durch die Beteiligung Privater meistens nicht billiger. Es handelt sich um eine Verlagerung der Schulden in die Zukunft, wie bereits die PräsidentInnen der deutschen Rechnungshöfe 2006 in ihrer gemeinsamen Erklärung betont hatten.

Was ist zu tun?

Um die Aushöhlung der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie der sozialen Standards zu verhindern ist die komplette Ablehnung dieser EU-Richtlinie zur Konzessionsvergabe der richtige Weg. Ob sich dafür im Parlament Mehrheiten organisieren lassen ist offen. Sehr hilfreich dafür wäre ein Einspruch nationaler und Länderparlamente („Subsidiaritätseinrede“). Als „Haltelinie“ bleibt auf EP-Ebene nur der Weg den Entwurf zu verbessern:

Grundsätzlich muss den Behörden auf allen Ebenen das Recht zustehen, selbst zu entscheiden, ob sie Konzessionen vergeben. Allerdings wird dieses Recht und die Freiheit der Behörden faktisch unterlaufen, wenn als Zuschlagskriterium das "wirtschaftlich günstigste Angebot" über Preis und Kosten, aber ohne sogenannte „Tariftreue-Klausel“ zugelassen werden. Sonst würde der Preis-Unterbietungs-Wettwerb Druck auf die Arbeitnehmer der Beschäftigten von Auftragnehmern und damit letztlich auch auf Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst ausgeübt werden würde.

Deshalb muss in das Zuschlagskriterium des "wirtschaftlich günstigen Angebots“ auch die Einhaltung von Tarifverträgen und dem Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit am vergleichbaren Arbeitsplatz einfließen.

Damit der Anreiz eines Anbieterwechseln nicht von einem Lohndumping bei den Arbeitnehmer ausgeht, müssen Arbeitnehmer, die von einem neuen Auftragnehmer übernommen werden, nach den bisherigen Konditionen übernommen werden, d.h. die Richtlinie zum Betriebsübergang entsprechend angewendet werden.

Die Einhaltung der rechtlichen Standards kann natürlich nur sicher gestellt werden, wenn Haupt- und Unterauftragnehmer jeder für sich und eine gemeinschaftliche Haftung besteht. Fazit Der Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe und der Konzessionsvergabe sind wie geschaffen dafür, die ordnende Rolle des Staates für eine Politik des sozialen Fortschritts zu nutzen, d.h. für Vollbeschäftigung, Verringerung der Einkommensunterschiede, Stärkung des Sozialstaates, Abschaffung prekärer Arbeitsverhältnisse, Ausweitung der Arbeitnehmerrechte, Mitbestimmung und für Weichenstellungen zu einer sozialen und ökologischen Weiterentwicklung des europäischen Projektes.

Bis dato war der Wettbewerb im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge eingeschränkt, da diese Dienstleistungen im Interesse der Allgemeinheit und mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen erbracht werden. Wenn diese Bereiche immer weiter liberalisiert und privatisiert werden, wird das nicht nur die Arbeitnehmer in diesen Bereichen treffen, sondern auch die Bürger, wenn die Leistungen schlechter und teurer werden. Besonders problematisch sind z.B. Konzessionen bei Wasser: Wenn z. B. ein Konzessionsnehmer insolvent wird, würde der Staat weiterhin verpflichtet sein, Wasser zu liefern, d.h. das "Betriebsrisiko" würde gerade nicht übergehen. Außerdem sind die Auswirkungen von Verträgen, die teilweise 99 Jahre dauern, nicht absehbar

Um Transparenz sicherzustellen, müssen alle Verträge bereits im Planungsstadium gegenüber allen Beteiligten auf allen Ebenen veröffentlicht werden. Das ist ein wichtiges Element gegen Sozialdumping und das einzige Mittel gegen Korruption und Günstlingswirtschaft.

UPDATE: Wasser in Gefahr!?

Geplante EU-Regeln für Dienstleistungskonzessionen gefährden kommunale Daseinsvorsorge

Hintergrund:

Im Europäischen Parlament wird momentan über eine Richtlinie verhandelt, mit der ein neuer Rechtsrahmen für die Konzessionsvergabe geschaffen werden soll. Die Kommission will damit Rechtssicherheit für die Auftraggeber schaffen, da bei Konzessionen bisher bei jedem einzelnen Streitfall der EuGH zu entscheiden hatte.

Die Überschriften "Binnenmarkt" und "Wettbewerbsfreiheit" könnten allerdings dazu führen, dass der bisher weitgehend geschützte Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge für private Investoren geöffnet wird, z.B. die städtische Wasserversorgung. Investoren werden in der Regel nur tätig, wenn sich Geld verdienen lässt. Wo die Kommission und Rat hin wollen wird in den Staaten deutlich, die finanzielle Unterstützung durch den Rettungsschirm (ESM) erhalten. Die "Troika" - aus Kommission, Europäische Zentralbank und Internationalem Währungsfonds - erzwingt in Griechenland und Portugal derzeit die Privatisierung des Wassersektors. Mit der Konzessions-Richtlinie hat das - ursächlich - aber nichts zu tun.

Erstmals werden damit die Rahmenbedingungen für Städte und Gemeinden als Konzessionsgeber und Unternehmen, die eine Konzession erhalten, und deren Durchführung geregelt. Daraus ergeben sich - indirekt - Folgen für Bürger, die z.B. Wasser abnehmen sowie die Beschäftigten.

Was soll sich durch die neue Richtlinie ändern?

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: die Richtlinie erzwingt nicht automatisch und allgemein die Privatisierung der Wasserversorgung. Diese Richtlinie sieht vor, dass jede Ebene der öffentlichen Hand selbst entscheiden kann, ob sie Konzessionen vergibt, oder Güter und Dienstleistungen selbst bereitstellt. Allerdings könnten knappe Kassen Länder oder Gemeinden daran hindern selbst zu investieren und stattdessen Konzessionen zu vergeben. Z.B. für die Fernheizung, den Betrieb des städtischen Krankenhauses und des Hallenbades, die Gasversorgung oder die Verwaltung einer Bibliothek.

Entsprechend erhöht diese Richtlinie den Druck zur europaweiten Ausschreibung von Konzessionen erheblich. Dies betrifft insbesondere Stadtwerke und kommunale Zweckverbände. Heute schon vergeben viele Kommunen die öffentliche Wasserversorgung per Konzession. So wurde z.B. in Form einer öffentlich-private Partnerschaft in Berlin die Wasserversorgung ausgelagert. Allerdings haben inzwischen einige Städte und Gemeinden festgestellt, dass eine Vergabe nicht immer die beste Lösung ist: Teilweise ist der Preis unterm Strich höher, als wenn die Gemeinden sie in Eigenregie durchführen und zwar sowohl für die Kommunen, als auch für die Wasser-Preise für die Bürger. Die Qualität ist auch nicht automatisch besser, wie die Privatisierung der Wasserversorgung in England gezeigt hat. Grundsätzlich handelt es sich bei Wasser um kein Luxusgut, sondern ein Grundnahrungsmittel und sollte deshalb nicht in den Bereich der Gewinnerzielung fallen, sondern ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge bleiben.

Deshalb würde manche Gemeinden gerne wieder "rekommunalisieren". Dafür fehlt jedoch oft das Geld. Dies kann man der Kommission nicht direkt anlasten, denn für die Finanzausstattung der Städte und Kommunen sind z. Bsp. in Deutschland die Länder und der Bund wesentlich mitverantwortlich. Diese setzen damit also die Rahmenbedingungen, unter denen die Städte und Kommunen handlungsfähig sind oder eben auch nicht. In jedem Fall wird der Druck in Richtung weiterer Privatisierungen erhöht.

Auch bisher hat die Öffentliche Hand schon Konzessionen vergeben. Wird der Bericht, der heute vom Binnenmarktausschuss verabschiedet wurde, zur Richtlinie, werden die Gemeinden auf Grundlage des ursprünglichen Entwurfes der Kommission ab einer Auftragshöhe von 8 Mio. Euro zu einer europaweiten Ausschreibung verpflichtet. Das würde dann auch bei einer Neuvergabe von bereits bestehenden Konzessionen gelten. Um eine solche Konzessionen kann sich dann das Wasserwerk vor Ort bewerben, aber eben auch große, Europa- und weltweit tätige private Konzerne. Soziale Kriterien oder gar eine Tariftreue schreibt die Richtlinie nicht vor. Ein Preiswettbewerb auf dem Rücken der Bürger und Beschäftigten scheint damit vorprogrammiert.

Angesichts der Finanznot und Unterfinanzierung der Kommunen und Kreise allerdings braucht der öffentliche Sektor Mittel für hohe Investitionen, die eine Kommune heute nur noch selten allein bewältigen kann. Das ginge in der Kooperation mit anderen Kommunen und ist mit dem Richtlinen-Entwurf möglich, aber die Hürden dafür sind extrem hoch gelegt. Es drängt sich der Eindruck auf, als sollten öffentliche Unternehmen als Konzessionsnehmer gezielt dem privaten Investor gleichgestellt werden. Das wäre an sich nicht fair, denn an die öffentliche Hand werden von der Allgemeinheit viel höhere Anforderungen in Sachen Preisgestaltung und sozialem Schutz gestellt wie an private Unternehmen. Folglich steht die öffentliche Hand dann schlechter da als private Unternehmen.

Alternativ bleiben letztlich nur noch mehr oder weniger vollständig in Eigenregie betriebene öffentliche Unternehmen, die sich auf die Versorgung der Allgemeinheit beschränken, und Kooperation von Kommunen zur Erbringung von Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dies jedoch bleibt ob der oben skizzierten Schwierigkeiten und Probleme in Bezug auf die Kassenlage für viele Städte und Kommunen ein fast unerreichbares Ziel.

Wie geht's weiter?

Am Donnerstag, 24. Januar hat der federführende Binnenmarktausschuss des Europaparlaments (IMCO) darüber abgestimmt und zumindest einige Verbesserungen ggü. dem Entwurf der Kommission vorgeschlagen. Einzelne Mitglieder der anderen Fraktionen haben unsere Position der Anlehnung der gesamten Richtlinie unterstützt. Nun muss das Parlament über die Richtlinie abstimmen. Sollte sie nicht abgelehnt werden wird dann mit dem Rat über die endgültige Ausgestaltung der Regelungen verhandeln. Es bleibt also weiter die Möglichkeit, Druck auszuüben. Und das ist auch dringend notwendig.

Einen guten Hintergrund zum Thema Wasserprivatisierung bietet der Film "Water makes money - Wie private Konzerne aus Wasser Geld machen".

Hier könnt ihr den Film bei Youtube ansehen.

UPDATE 31. Juli 2013

Was meinte DIE LINKE im EP

Die Vorschläge setzen die bisherige wettbewerbsfixierte und wirtschaftsliberale Wirtschaftspolitik nach den Prinzipien der EU-Binnenmarktfreiheiten fort, der Sozialstaat wird weiter unterlaufen und Bemühungen zur Rekommunalisierung verschlechtert. Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und der öffentlichen Daseinsvorsorge gehören in die Hände von Kommunen und Regionen. Insbesondere soziale Dienstleistung und die Wasserversorgung gehören grundsätzlich nicht in die Hände von Profitinteressen. Deshalb lehnten wir diese Richtlinie im Ausschuss ab und haben diese grundsätzliche Position auch in den der Abstimmung im federführenden Binnenmarktausschuss folgenden Trilog-Verhandlungen vertreten. Darüber hinaus haben wir gemeinsam mit Sozialdemokraten und Grünen an den Stellen Verbesserungen verhandelt, an den solche vom IMCO vorgeschlagen wurden. Dazu gehörten unter anderem die weiter oben erläuterten erweiterten Zuschlagskriterien, rechtssicherer Formulierungen in Bezug auf geltende Tarifverträge und öko-soziale Standards sowie weitreichende Ausnahmen für staatlich regulierte Konzessionen wie Lotterien.

Besser spät als nie

Nach anhaltendem und intensiven Interventionen gegen die Einbeziehung des Wassersektors in die Konzessionsrichtlinie zeichnete sich in den Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und EP eine Lösung ab, die deutlich besser als die bisher von der Kommission vorgesehene Flickschusterei ist.

Bis dahin hatten trotz der Proteste gegen weitere Liberalisierungen sowohl Europaparlament als auch Kommission den Ausschluss des Wassersektors abgelehnt, waren aber zu Zugeständnissen bereit, die die Spezifika vor allem der deutschen kommunalen Organisationsformen Rechnung tragen sollte. Dies war aber nur mässig gelungen.

Mit der Ankündigung des Binnenmarkt-Kommissars Barnier, den Wassersektor vollständig aus der Richtlinie auszunehmen, lenkte die Kommission letztlich doch ein. Wochenlang überhäuften Bürgerinnen und Bürger die Europaabgeordneten mit Post, um die Pläne zur europaweiten Erleichterung von Privatisierungen im Trinkwasserbereich zu verhindern.

Diese Proteste hatten nun Erfolg. Die Kommission hat offensichtlich verstanden, dass die Sorgen der Menschen um bezahlbare und qualitativ hochwertige Wasserversorgung nicht einfach vom Tisch zu wischen sind. Wasser ist und bleibt ein Menschenrecht und darf nicht den Marktregeln unterworfen werden.

Nach den abschliessenden Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament ist klar: alle akzeptieren den Vorschlag der Kommission, den Wassersektor vollständig und dauerhaft aus der Konzessionsrichtlinie auszunehmen. Damit bestätigt sich die Hoffnung, auf europäischer Ebene werden Sorgen der Bürger doch hin und wieder auch wahrgenommen.

Diese Entscheidung musste final noch im Rahmen der Beschlussfassungen durch Rat und Parlament bestätigt werden. Schon heute kann man jedoch sagen: Widerstand lohnt sich. Es ist vor allem den Kommunen und Städten, Gewerkschaften, SPD, Grünen und nicht zuletzt der LINKEN und den die europäische Bürgerinitiative unterzeichnenden 1,5 Millionen Menschen zu verdanken, dass hier die Kommission und im Besonderen die deutsche Bundesregierung doch noch in die Schranken gewiesen wurden. Denn es darf noch einmal daran erinnert werden, dass vor allem letztere in den entsprechenden Debatten im Bundestag die Richtlinie verteidigt und die Ausnahme des Wassersektors abgelehnt hat.

Mit dieser Entscheidung ist allerdings keinesfalls sichergestellt, dass künftig die Wasserversorgung ausschliesslich in öffentlicher Hand liegt. Dazu müssen auch auf nationaler und regionaler Ebene die Verantwortlichen diese Zäsur erkennen und entsprechend handeln. Wasser ist ein Menschenrecht. Der Zugang zu qualitativ hochwertiger und erschwinglicher Versorgung mit Trinkwasser darf nicht Marktregeln und Profitlogik unterworfen werden.

Die Konzessionsrichtlinie wird durch diese Ausnahme im Übrigen nur ein wenig verbessert. Weiterhin fehlen werden trotz intensiver Verhandlungen wirksame Tariftreue-Vorschriften und klare Regelungen, auch Subunternehmen an Sozial-, Umwelt- und arbeitsrechtliche Vorschriften zu binden und repräsentative Tarifverträge anzuerkennen. Aus diesem Grund müssen wir die Richtlinie auch weiterhin ablehnen.