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09.10.2015, Von Jürgen Klute

Vereinfachter Zugang zu EU-Förderprogramme für Griechenland

Und wie das Europäische Parlament am 6. Oktober abgestimmt hat

Am 6. Oktober hat das Europäische Parlament über eine Verordnung der Europäischen Kommission für einen erleichterten Zugang Griechenlands zu EU-Förderprogrammen abgestimmt. Mit dieser Verordnung kommt die Kommission Vereinbarungen des EU-Gipfels vom 12. Juli 2015 nach.

Auf diesem wurde, neben den bekannten radikalen Spar- und Privatisierungsmaßnahmen, auch beschlossen, dass die Kommission in enger Zusammenarbeit mit der griechischen Regierung Maßnahmen »zur Unterstützung von Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen in Griechenland« sowie »bis zu 35 Mrd. EUR (im Rahmen verschiedener Programme der EU) zur Finanzierung von Investitionen und der Wirtschaftstätigkeit, einschließlich von KMU« mobilisieren soll.

Allerdings handelt es sich hierbei nicht um zusätzliche 35 Mrd. Euro. Vielmehr geht  es darum, dass Griechenland vereinfachte Zugangsbedingungen zu diesen Finanzmitteln eingeräumt bekommt, um diese Mittel überhaupt abrufen zu können. Im Regelfall müssen Mitgliedsländer, die auf EU-Förderprogramme zugreifen wollen, Eigenmittel zur Verfügung stellen, um die entsprechenden EU-Mittel abrufen zu können. Angesichts der massiven Sparauflagen ist Griechenland derzeit jedoch nicht in der Lage, diese Eigenmittel aufzubringen.

Die vom Europäischen Parlament verabschiedete Verordnung[1] regelt, dass die eigentlich von Griechenland aufzubringenden Eigenmittel für eine begrenzte Zeit ausgesetzt und von der EU übernommen werden. Somit kann die griechische Regierung nun noch Restmittel aus der Förderperiode 2007 bis 20013 abrufen, die andernfalls verfallen würden. Diese Regelung gilt auch für die Jahre 2015 und 2016. Zudem  werden Mittel schneller ausgezahlt. Und Mittel, die für die zweite Hälfte der Förderperiode 2014 bis 2020 (also für 2018 bis 2020) vorgesehen waren,  können teilweise bereits in 2015 und 2016 abgerufen werden.

Die Verordnung sieht vor, dass Griechenland nun 100 Prozent der beantragten Fördermittel erhält, anstatt der vorgesehenen 95 Prozent. Diese Regelung hat zur Folge, dass Griechenland für 2015 und 2016 insgesamt zwei Mrd. Euro zusätzlich aus dem EU-Haushalt erhält, um damit seine Wirtschaft zu stabilisieren.

Auch wenn es sich hier nur um einen vergleichsweise bescheidenen Betrag handelt, ist diese Verordnung als ein Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen. Für die Erholung der griechischen Wirtschaft ist dieser Betrag aber nicht ausreichend. Insgesamt ist ein weitaus größeres europäisches öffentliches Investitionsprogramm nötig. Und darüber hinaus sind weitere Regelungen erforderlich, um das Problem der wirtschaftlichen Ungleichgewichte grundsätzlich zu beheben.

Obgleich diese Verordnung in Überstimmung mit den Vereinbarungen vom EU-Gipfel vom 12. Juli 2015 stehen und es sich nur um eine sehr begrenzte zusätzliche finanzielle Unterstützung für Griechenland handelt, hat Spiegel online am Montag (5.10.) von Protesten aus der CDU und CSU und auch  von Seiten des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble berichtet.

Angesichts dieser Proteste aus dem Lager der deutschen Bundesregierung ist das Abstimmungsergebnis über die Verordnung interessant (da es sich um eine namentliche Abstimmung handelt, ist sie auf der Webseite des Europäischen Parlaments dokumentiert): Von 694 anwesenden Mitgliedern des Europäischen Parlaments stimmten 586 für diese Verordnung, 87 stimmten dagegen und 21 enthielten sich der Stimme. Damit wurde sie mit einer überwältigenden Mehrheit angenommen und Parlament und Kommission haben zum Ausdruck gebracht, dass sie Wachstum zur Überwindung der Krise in Griechenland für unumgänglich halten.

Aber auch das Stimmverhalten der einzelnen Fraktionen ist aufschlussreich. Die Fraktionen der Linken, der Grünen  und der Sozialdemokraten haben geschlossen für die Verordnung gestimmt. Die liberale Fraktion hat mit Ausnahme der drei deutschen Liberalen ebenfalls für die Verordnung gestimmt – die deutschen Liberalen haben sich der Stimme enthalten. Aus der CDU/CSU waren einige wenige dagegen und einige wenige haben sich der Stimme enthalten.

Auch die ECR-Fraktion – im Wesentlichen die britischen Torries – hat überwiegend für die Verordnung votiert. Nur die ECR-Mitglieder, die zu den  Überbleibseln der extrem rechten AfD gehören, sowie wenige osteuropäische ECR-Mitglieder waren dagegen. Interessanterweise stimmte allerdings Hans-Olaf Henkel (mittlerweile vom AfDler zum ALFA-Tier mutiert) für die Verordnung. Ansonsten votierten nur einige unabhängige MdEP und vor allem die Mitglieder der beiden extrem  rechten Fraktionen um Nigle Farage (EFDD) und um Marine Le Pen  (ENF) dagegen. Lediglich die Mitglieder der Fünf-Sterne-Bewegung um Beppo Grillo, die sich der EFDD angeschlossen haben, haben für die Verordnung gestimmt.

Mit andere n Worten: Die Bundesregierung steht auf europäischer Ebene ziemlich isoliert da. Man darf aus diesem Abstimmungsverhalten schließen, dass das Europäische Parlament mehrheitlich eine deutlich andere Position zur Krisenpolitik entwickelt hat, als sie in der informellen und demokratisch nicht legitimierten, aber dennoch in der Krisenpolitik dominanten Euro-Gruppe vorherrscht. Das spricht für eine Reform des Institutionengefüges der EU und für eine uneingeschränkte Einbindung des Europäischen Parlaments als bisher einzig demokratisch legitimierter EU-Institution in die Krisenpolitik.

copyright: Jürgen Klute, 9. Oktober, "Das Abstimmungsverhalten des Europäischen Parlaments"

Jürgen Klute ist Sozialpfarrer und Publizist, von 2009 bis 2014 war er für DIE LINKE Mitglied des Europäischen Parlaments.

[1] Der Text ist im Internet unter seiner Abstimmungsnummer auffindbar: A8-0260/2015 | Link:

www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do.

Quelle: http://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/vereinfachter-zugang-zu-eu- foerderprogrammen-fuer-griechenland/