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16.03.2016

"Helfen, damit der Stein nicht wieder herunterrollt"

Die Reformen in Griechenland sind eine Sisyphos-Aufgabe / Monitoring-Group mit Katrougalos / ESF signalisiert Ja zu transnationalem Ausbildungsprojekt

Griechenlands Arbeitsminister Georges Katrougalos war am 15. März ein weiteres Mal zu Gast bei der Arbeitssitzung der Griechenland-Monitoring-Group des Beschäftigungs- und Sozialausschusses EMPL. Die schlechte Nachricht: Die dringend notwendige Rentenreform stockt, weil der Internationale Währungsfonds (IWF) auf zusätzliche Rentenkürzungen besteht. Die gute Nachricht: Das vom Ausschussvorsitzenden Thomas Händel initiierte transnationale Ausbildungsprojekt zwischen der griechischen Regierung und der Landesregierung von Thüringen kommt voran. Der Europäische Sozialfonds (ESF) hat signalisiert, dass ESF-Mittel hierfür eingesetzt werden können.

In einer am 10. März vorgelegten Studie spricht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von "sozialem Verfall" in Griechenland. Demnach hat die von der Sparpolitik ausgelöste Rezession dazu geführt, dass jeder dritte Grieche verarmte. Die OECD fordert daher eine stärkere Bekämpfung der Ungleichheit im Land und der Armut sowie eine Stärkung der sozialen Sicherungsnetze.

"Ich möchte derzeit nicht in Griechenland regieren müssen ", so fasste Thomas Händel die aktuelle Lage im Land zusammen. Laura Agea, italienische Abgeordnete der Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie, hatte zuvor ein höheres Reform-Tempo angemahnt, zugleich allerdings betont, dass es alleine in der Verantwortung der Regierung in Athen liegen müsse, die Rentenreform auszugestalten.

Minister Georges Katrougalos hält die Forderungen des IWF einer zusätzlichen Rentenkürzung für "irrational" und "unerklärlich". Die Armutsgrenze in Griechenland verläuft zurzeit bei 384 Euro, dem Niveau der Basisrente. "Die Geldgeber wollten diese Grenze unterschreiten, schlugen 320 Euro als Niveau vor und fordern eine zusätzliche Einsparung um 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Katrougalos: "Das lehnen wir ab!"

Die Regierung, so Katrougalos, habe die Bedingungen der EU-Institutionen erfüllt und bereits Ausgaben in Höhe von einem Prozent des BIP eingespart. Die Regierung habe die Erhöhung der Sozialabgaben vorgeschlagen. Diesem Vorschlag hätten die Arbeitgeber zugestimmt. Eine weitere Kürzung der Renten sei rechtlich nicht begründet, hätte einen "rezessiven Effekt" und sei jetzt schon schlecht für die Wirtschaft: "Die politische Ungewissheit dauert an."

Dabei, so Katrougalos, mache Griechenland Fortschritte. Die Arbeitslosigkeit sei mit 24 Prozent immer noch viel zu hoch. Aber: Vor zweieinhalb Jahren hatte die Arbeitslosigkeit mit 37 Prozentpunkte ihren Höchststand erreicht. Nach den Protesten gegen die Rentenreform wachse nun das Verständnis, dass dies notwendig sei. Auch in der Beschäftigungspolitik wachse der Handlungsbedarf. Beim Arbeitsrecht etwa herrsche das "Gesetz des Dschungels". Im Mai sollen die Verhandlungen über eine Rückkehr zum Sozialdialog und zu kollektiven Tarifverträgen zu ersten Ergebnissen führen; diese Verhandlungen wird die Monitoring Group des Beschäftigungsausschusses in Athen begleiten. "Die Arbeit der griechischen Regierung mutet wie eine Sisyphos-Aufgabe an. Und unser Job ist es dabei zu helfen, dass der Stein von außen nicht wieder heruntergerollt wird."

Mut macht das auf Initiative von Thomas Händel beschlossene Ausbildungs- und Qualifizierungsprojekt zwischen der Landesregierung in Thüringen und der durch Arbeitsminister Katrougalos vertretenen Regierung Griechenlands. Thüringen besitzt das Knowhow und verfügt über sehr gute Aus- und Fortbildungsstätten, doch mangelt es an Nachfrage. Griechenland indes benötigt dringend eine Qualifizierungs- und Ausbildungsoffensive. Laut Schätzungen haben im Verlauf der Krise etwa 200.000 gut ausgebildete, zumeist junge Menschen das Land verlassen. Nun sollen in einem transnationalen Projekt griechische Berufsschullehrer qualifiziert und junge Leute in Thüringen ausgebildet werden. Geld aus dem Europäischen Sozialfonds, das Griechenland ohnehin zusteht, könne in dieses Projekt investiert werden, signalisierten Vertreter des ESF bei einem Gespräch in Brüssel.