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22.04.2016, Thomas Händel

Im Osten nichts Neues

Thomas Händel beim Rat der europäischen Arbeits- und Sozialminister

Die Entsendung von ArbeitnehmerInnen stand beim Treffen der EU-Arbeits- und Sozialminister am Dienstag und Mittwoch in Amsterdam im Mittelpunkt.

Ein weitgehend klares Pro und Kontra kennzeichnet auch in dieser Frage die EU: während sich vor allem die osteuropäischen Mitgliedstaaten nach wie vor strikt gegen die angekündigten Änderungen aussprechen ist die Mehrheit der Westeuropäer sehr klar. „Die Entsende-Richtlinie muss in Zukunft sicherstellen, dass der gleiche Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Ort bezahlt werden muss und so Lohn- und Sozialdumping verhindert wird!“ sagt der österreichische Sozialminister Alois Stöger und seine Kollegen aus Griechenland, Luxemburg, Schweden u.a. stimmen ihm zu.

Die EU-Kommission hat angekündigt den wachsenden Missbrauch der Entsende-Richtlinie künftig verhindern zu wollen. Das ist ein guter Vorsatz. Zwar ist nicht jede Entsendung mit Lohndumping verbunden - aber Entsendung ist derzeit das größte Einfallstor für Lohndumping. Nicht zufällig kritisiert der Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB), Harald Schröer, die wachsende organisierte Kriminalität in seiner Branche.

Wer dieses Tor nicht schließen will, macht Lohndumping zum Geschäftsmodell. Wer ständig für gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Unternehmen plädiert, darf nicht ungleichen Arbeitsbedingungen zwischen Arbeitnehmern das Wort reden.

Der Vorschlag für eine Überarbeitung der Richtlinie, den die Europäische Kommission am 8. März präsentiert hat, ist zwar ein guter Anfang der allerdings auf halber Strecke steckenbleibt:

  • Den Grundsatz "Gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" europäisch wirksam zu verankern schafft der vorliegende Vorschlag nicht. Dazu wäre es notwendig, nicht nur die allgemeinverbindlichen Tarifverträge sondern auch die relevanten Tarifverträge in Bezug zu nehmen. Sonst wirkt das für einen großen Teil der Beschäftigten in Deutschland (und anderswo) gar nicht.
  • Die wirkliche Gleichstellung der entsandten Beschäftigten erfolgt erst nach zwei Jahren. Rund 90 % der entsandten Beschäftigten betrifft das aber nicht - ihre Entsendungszeit ist wesentlich kürzer.
  • Die Haftung des Generalunternehmers verbessert die Überarbeitung nicht. Die Haftung muss entlang der ganzen Kette von Sub-Unternehmern in allen Branchen greifen. Deren Ausgestaltung auf die nationale Ebene zu verlagern macht den Arbeitnehmerschutz zum puren Wettbewerbsfaktor.

In dem vorgelegten Entwurf fehlen auch wichtige Punkte, die zum Missbrauch förmlich einladen:

  • Die Informationen über entsandte Arbeitnehmer erst bei Beginn der Entsendung bei den Kontrollbehörden zu melde öffnet Tricksereien Tür und Tor. Unverzichtbar ist die Übermittlung von Informationen an die Kontrollbehörden rechtzeitig vor Beginn der Entsendung.
  • Kontrollmaßnahmen der Mitgliedstaaten bleiben eingeschränkt. Erst kürzlich hat die Kommission bekräftigt, dass sie auch künftig keine Änderungen am bindenden Katalog von Kontrollmaßnahmen beabsichtigt. Die Mitgliedstaaten können damit keine eigenen zusätzlichen Kontrollmaßnahmen durchführen um damit auf immer wieder neue Umgehungsmöglichkeiten zu reagieren. Eine wirkungsvolle Kontrolle wird damit verhindert.
Thomas HANDEL

Auch bei der Begrenzung der Entsende-Dauer, der richtigen Bemessung der Sozialversicherungs-Beiträge und der Bekämpfung von Briefkastenfirmen muss die Kommission noch nachlegen.

Den rund 2 Mio entsandten Beschäftigten in Europa bringt der vorgelegte Vorschlag bislang wenig.

Nun sind die Gewerkschaften an der Reihe. Sie müssen Druck organisieren - und wir müssen im Europaparlament vernünftige Mehrheiten organisieren.

Das EPSCO-Team des EP: Robert Seibold, Thomas Händel, Frank Puskarev und Pieter Rook.