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09.05.2014, Thomas Händel

Händel's Woche

Woche 19 - 2014

Die SPD hat in diesem Wahlkampf das Motto: “Europa neu denken” Toll! Es geht aber nicht darum, Europa neu zu denken. Es geht darum, Europa zu verändern! (Ja gut - ist plagiatsverdächtig)

Wenn sie wenigstens denken würden - manchmal setzt aber auch das aus!

Beispiel 1: Wir haben im Europäischen Parlament gekämpft gegen die wachsende kriminelle Ausbeutung von entsandten Arbeitsnehmern in Europa. GRÜNE und die Hälfte der Sozialdemokraten haben einer windigen Regelung zugestimmt, die das Elend von entsandten Arbeitnehmern auf die nächsten fünf Jahre verlängert: verbesserte Kontollen gegen kriminellen Missbrauch – nur mit großer Bürokratie und vorheriger Ankündigung. Haftung des Auftragnehmers für gleichen Lohn für gleiche Arbeit auch bei seinen Untervertragsnehmern – Fehlanzeige.

Beispiel 2: Wir haben gekämpft für einen starken Bankenabwicklungsmechanismus. Banken sind ganz normale Wirtschaftsbetriebe. Die müssen ganz normal Pleite gehen können, ohne dass der Steuerzahler dafür herhalten muss. Alle anderen Parteien – auch GRÜNE und Sozialdemokraten - haben eine Bankenunion auf europäischer Ebene durch gewunken, die nichts in dieser Frage löst. Am Schluss trägt die Lasten wieder der Steuerzahler.

Beispiel 3: Alle Parteien in den Wahlkampf-Podiumsdiskussionen erklären derzeit, sie seien gegen Investorenschutzabkommen und TTIP. Im Europaparlament haben sie alle – mit Ausnahme der Grünen - einem Investorenschutzabkommen zugestimmt.

Darauf sollten wir sie im Wahlkampf festnageln. Liebe Leute bei GRÜNEN und SPD, so wird das nichts mit einer strukturellen Mehrheit auf der linken Seite des Parlaments

*

TTIP ist höchst gefährlich. Darüber habe ich an dieser Stelle schon so Manches geschrieben. Das dieses Abkommen noch zu topen ist - kaum vorstellbar. Geht aber doch. Seit 2012 verhandeln rund 50 Nationen noch eines dieser völlig neuen Abkommen - diesmal speziell über "Liberalisierung" ihres Dienstleistungshandels (TiSA). Natürlich geheim aber auch außerhalb der WTO. Die Europäische Kommission verhandelt mit. Dahinter stecken die Begehrlichkeiten des riesigen, weltweit vagabundierenden Kapitals. Händerringend sucht es nach möglichst profitablen Anlageformen. Einer höchstverschuldeten Gemeinde ihr Wasserwerk oder ihr Krankenhaus zum Schnäppchenpreis abzunehmen ist dabei wie der Sechser im Lotto. Nie haben sich die Wirtschaftsliberalen mit dem Öffentlichen abgefunden, entzieht es doch dem "freien Markt" privaten Profit - oder wirkt sogar noch als Regulativ. Welche Zumutung!

Die öffentlichen Dienste sollen existenzwichtige soziale und wirtschaftliche Aufgaben übernehmen, Sie sollen bezahlbar und universell verfügbar sein. Diese Anforderungen können die sog. Märkte nicht erfüllen. TiSA hat - ebenso wie TTIP - das Ziel gesetzlich verbindliche Regelungen für Investorenrechte außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit zu schaffen. Damit werden die auch die gesetzgeberischen Möglichkeiten von Regierungen in den Bereichen eingeschränkt, die nur ganz entfernt etwas mit Handelsfragen zu tun haben. TiSA geht aber noch einen Schritt weiter.

Das Abkommen sieht vor, dass öffentliche Dienste nicht wieder rekommunalisiert werden dürfen, innerstaatliche Vorschriften zum Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz keinen Bestand haben und Regulierungsmöglichkeiten der Staaten eingeschränkt werden.

Wie lernfähig und kreativ die "da oben" sind, zeigen zwei besonders perfide Ziele des Abkommens:

Trotz der Erfahrungen aus der Finanzkrise und vielleicht gerade wegen der politischen Bemühungen zur Regulierung der Finanzmärkte sieht dieses Abkommen eine weitere Deregulierung vor. Offensichtlich hat man auch aus den Erfahrungen mit den gesellschaftlichen Widerständen z. B. zu MAI gelernt. Die Texte des Abkommens sollen weder vorher noch nach Abschluss veröffentlicht werden. 5 Jahre sollen sie unter Verschluss bleiben.

Das wäre wieder ein Schritt näher zum "Endsieg des Kapitalismus".

Avanti popolo!

Euer Thomas Händel