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01.11.2015, Thomas Händel

Lohndumping: Brüssel macht ernst

Eine Warnung zum Europäischen Equal Pay Day: EU-Kommission plant Eingriff in die Tarif-Autonomie

Am Montag, 2. November, ist der Europäische Equal Pay Day, Symbol für die ungleiche Bezahlung zu Lasten der Frauen. Thomas Händel (DIE LINKE.), Vorsitzender des Beschäftigungs- und Sozialausschusses im Europäischen Parlament, fordert eine grundsätzliche Umkehr und warnt vor aktuellen Plänen der EU-Kommission.

Händel verweist auf aktuelle Pläne, wonach die EU-Kommission künftig massiv Einfluss auf die Lohnentwicklung in Europa nehmen könnte. "Wenn das kommt, was im Fünf-Präsidenten-Bericht im Juni in Brüssel verabredet worden ist, wird Lohndumping im Namen der Wettbewerbsfähigkeit zum offiziellen Bestandteil europäischer Politik." Das sei die wichtigste Botschaft anlässlich des Equal Pay Day.

Europaweit verdienen Frauen im Schnitt 16,4 Prozent weniger als Männer. In Deutschland ist die Lage seit Jahren noch schlechter: Mit einer Lohnlücke von 22 Prozent rangiert das wirtschaftlich starke Deutschland in Europa (seit Jahren) auf den hinteren Plätzen. Thomas Händel: "Gerade Frauen arbeiten überdurchschnittlich oft zu Dumpinglöhnen. Diese ungleiche Bezahlung ist ein dauerhafter Skandal."

Seit 1957 steht in den Europäischen Verträgen die einheitliche Entlohnung für gleiche oder gleichwertige Arbeit festgeschrieben. Die Realität, so Händel, sieht anders aus: "Wir jubeln über 1,65 Millionen neu geschaffene Arbeitsplätze im Jahr 2014, aber unterschlagen dabei, dass es sich im Wesentlichen um prekäre Arbeitsverhältnisse handelt, Arbeitsverhältnisse, von denen niemand leben kann."

Allein in Deutschland sind die prekären Arbeitsverhältnisse in 20 Jahren um 70 Prozent gestiegen, während die normalen Arbeitsverhältnisse um 7,2 Prozent gesunken sind. Diese Entwicklung setzt sich bei den jung Ausgebildeten fort. Selbst in prosperierenden Regionen und Branchen ist die Hälfte der jungen Menschen ohne feste Beschäftigung. Thomas Händel: "Wir leben in Europa mit einem Viertel der Bevölkerung, die arm ist, und zwar arm trotz Arbeit. Armut wird zur Massenerfahrung."

Und weiter: "Ich unterstütze Gesetze zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit in Deutschland wie EU-weit. Aber ohne eine grundsätzliche Umkehr wird es nicht gehen. Wer arbeitet, muss von seiner Arbeit leben können, und zwar zu menschenwürdigen Bedingungen. Wir brauchen europäisches Mindestlohnniveau und soziale Mindeststandards.

Arbeit und soziale Gerechtigkeit können keine Abfallprodukte von Ökonomie beziehungsweise einer gesteigerten internationalen Wettbewerbsfähigkeit sein! Institutionelles Lohndumping, wie die EU-Kommission sie plant, bedrohen nicht nur die wirtschaftliche Stabilität zusätzlich, sondern auch die soziale Gerechtigkeit."