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05.04.2011

Menschenrechtsverletzungen qualifizieren nicht für Uni-Lehrstühle

Wir, französische und europäische Abgeordnete, möchten unsere Entrüstung hinsichtlich der Ernennung des ehemaligen kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe Velez zum Dozenten an der École Nationale d'Ingénieurs in Metz (ENIM) als Gegenleitung für die zwischen der Bildungseinrichtung und dem kolumbianischen Staat abgeschlossenen einträglichen Verträge zum Ausdruck bringen. 

Die Europäische Union und Frankreich stehen ein für die Verteidigung der Menschenrechte. Die Bestellung von Uribe zu akzeptieren, würde eine erneute Inkonsequenz bei der Durchsetzung dieser politischen Ziele bedeuten und der Ausbildung junger Europäer einen Bärendienst erweisen. 

Die Bilanz der Errungenschaften von Alvaro Uribe in Sachen Menschenrechte sieht wie folgt aus: 

  • Uribe hat eine umstrittene Politik der „demokratischen Sicherheit" eingeführt, mit der offiziell die Unsicherheit bekämpft und der Rechtsstaat gestärkt werden sollte. Im Zusammenhang mit dem in Kolumbien seit 50 Jahren andauernden bewaffneten Konflikt werden vor allem den Soldaten Prämien und Vergünstigungen für jeden im Kampf getöteten Guerillero versprochen. Diese katastrophale „Politik der Zahl" hat dazu geführt, dass die Soldaten mehr als 3000 unschuldige Zivilisten aus armen Stadtvierteln ermordet, sie anschließend als Guerilleros verkleidet und als „gefallen im Kampf" präsentiert haben.
  • Zahlreiche Affären im Zusammenhang mit Korruption und Morden sowie die Enthüllungen nach der Umsetzung des Gesetzes für „Gerechtigkeit und Frieden" haben die engen Verbindungen zwischen den mit der Mafia unter einer Decke steckenden Todesschwadronen (Paramilitärs) und der politischen Familie von Uribe zu Tage gebracht. Über 120 Politiker, die der Regierung Uribe nahe standen, wurden bereits vernommen, und mehrere Dutzend bereits für diese kriminellen Verwicklungen verurteilt. Mario Uribe, ein Vetter und politischer Verbündeter des ehemaligen Präsidenten, wurde zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis dafür verurteilt, sich mit diesen kriminellen Organisationen verbündet und sie benutzt zu haben, um seine Wahl ins nationale Parlament zu erleichtern und sich unrechtmäßig große Flächen fruchtbaren Bodens anzueignen. 
  • Kolumbien ist heute nach dem Sudan das Land mit den meisten Binnenvertriebenen. Zwar haben die Vertreibungen schon vor der Machtübernahme Uribes begonnen, während seiner Amtszeit wurden jedoch 2,4 Millionen Menschen vertrieben. Im Übrigen gibt es in Kolumbien mehr als 1000 Massengräber. Eine Grabstätte mit über 2000 nicht identifizierten Leichen, die seit 2005 von den Militärs „bestückt" wurde, wurde kürzlich im Bezirk Meta entdeckt. In anderen Regionen gibt es Berichten zufolge Verbrennungsöfen, die dazu dienen, die Leichen der Opfer verschwinden zu lassen. 
  • Während der Amtszeit von Uribe gab es zahlreiche Korruptionsaffären in der Regierung und seiner politischen Familie. So steht zum Beispiel heute sein ehemaliger Landwirtschaftsminister vor Gericht, da er beschuldigt wird, riesige Summen veruntreut zu haben. Statt dem ursprünglichen Zweck (Hilfen für die Kleinbauern) dienten die Gelder der Bereicherung der Großgrundbesitzer und mittelbar der Finanzierung der Wiederwahl von Uribe. 
  • Unter der Präsidentschaft von Uribe wurden die kolumbianischen Geheimdienste (DAS) zu Spionage, Verfolgung, Bedrohung, Stigmatisierung und Bekämpfung von Menschenrechtsaktivisten, Gewerkschaftern, politischen Gegnern, Journalisten und des Obersten Gerichtshofs eingesetzt. Dank der jüngsten Entdeckung interner Dokumente des DAS kam sogar die Absicht, den Unterausschuss Menschenrechte des Europäischen Parlaments, das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte und die nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen zu überwachen und zu diskreditieren, ans Licht. Zahlreiche dieser Organisationen oder Personen wurden vom ehemaligen Präsidenten ausdrücklich als „intellektuelles Schaufenster" der FARC bezeichnet, wodurch sie in Lebensgefahr gerieten. 

Die Ernennung von Uribe zum Professor an der ENIM ist kein Zufall. Sie ist die Konsequenz der Vergabe von Verträgen für die Modernisierung der kolumbianischen Bildungszentren (SENA) seitens der kolumbianischen Regierung während Uribes Amtszeit. Uribe war im Übrigen bei dieser Gelegenheit bereits zum „Ingenieur der ENIM honoris causa" ernannt worden. Angesichts seiner Verwicklung in diese schwerwiegenden Affären in seinem Heimatland hatte er bereits versucht, sich durch die Ernennung zum Professor der Universität Georgetown Respekt zu verschaffen. 

Dieser Versuch war jedoch in akademischen Kreisen und bei der Zivilgesellschaft in den USA auf nachdrücklichen Widerstand gestoßen. Wir fordern heute alle französischen und europäischen Bürgerinnen und Bürger auf, heute dasselbe zu tun und mit uns die Ernennung Alvaro Uribes an der ENIM anzuprangern. Wir fordern diese Bildungseinrichtung auf, so rasch wie möglich den Vertrag, der ihr Schande macht, rückgängig zu machen. 

Wir sind der Auffassung, dass das europäische Bildungswesen nicht dafür herhalten kann, Personen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, rein zu waschen, und dass Alvaro Uribe sich vor der kolumbianischen Justiz oder andernfalls dem Internationalen Strafgerichtshof für die Menschenrechtsverletzungen verantworten muss, für die er verantwortlich ist.


UnterzeichnerInnen

Jürgen Klute, member of the European Parliament, Germany, Delegation of the European Parliament to the EuroLat Assembly.
Jean-Luc Mélenchon, member of the European Parliament, France, Vice president of the Committee on Foreign Affairs
Nikolaos Chountis, member of the European Parliament, Greece, Committee on Economic and Monetary Affairs.
Martine Billard, member of the French Parliament, Vice president of the France-Republic of Colombia Parliamentary Friendship Group.
Marie-Christine Vergiat, member of the European Parliament, France, Sub-Committee on Human Rights.
Cornelia Ernst, member of the European Parliament, Germany, Committee on Civil Liberties, Justice and Home affairs.
Gabriele Zimmer, member of the European Parliament, Germany, Committee on Development.
Eva-Britt Svensson, member of the European Parliament, Sweden, President of the Committee on Women's Rights and Gender Equality
Georgios Toussas, member of the European Parliament, Greece Committee on Transport and Tourism
Charalampos Angourakis, member of the European Parliament, Greece Committee on Regional Development
Bairbre de Brún, member of the European Parliament, United Kingdom, Committee on Environment, Public Health and Food Safety.
Thomas Händel, member of the European Parliament, Germany, Committee on Employment and Social Affairs.
Willy Meyer, member of the European Parliament, Spain, Vice president of the Delegation of the European Parliament to the EuroLat Assembly.
Sabine Wils, member of the European Parliament, Germany, Committee on Environment, Public Health and Food Safety
Helmut Scholz, member of the European Parliament, Germany, Committee on International Trade.
Catherine Grèze, member of the European Parliament, France, Delegation of the European Parliament to the EuroLat Assembly.
Yves Cochet, member of the French Parliament, Secretary of the Committee on Sustainable Development, Town and Country Planning. 
Sabine Lösing, member of the European Parliament, Germany, Committee on Foreign Affairs
Miguel Portas, member of the European Parliament, Portugal, Special Committee on Financial, Economic and Social Crisis.
Jacky Hénin, member of the European Parliament, France, Committee on Industry, Research and Energy
Raül Romeva i Rueda, member of the European Parliament, Spain, , Delegation of the European Parliament to the EuroLat Assembly.
Dominique Voynet, member of the French Parliament, Secretary of the Committee on Foreign Affairs, Defense and Armed Forces.
Noël Mamère, member of the French Parliament, Secretary of the Committee on Legal Affairs.
Francois de Rugy, member of the French Parliament, Secretary of the French National Assembly.
Jean Desessard, member of the French Parliament, Committee on Social Affairs.
Ivan Renar, member of the French Parliament, Vice president of the Committee on Culture, Education and Communication.
Marie-Christine Blandin, member of the French Parliament, Secretary of the Committee on Culture, Education and Communication.
Michel Billout, member of the French Parliament, Vice president of the on European Affairs.
Alima Boumediene-Thierry, member of the French Parliament, Committee on European Affairs.
Anny Poursinoff, member of the French Parliament, Committee on Economic Affairs.
Pascal Canfin, member of the European Parliament, France, Committee on Economic and Monetary Affairs.