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05.07.2016, Thomas Händel

Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit ist Sache der Mitgliedstaaten!

Plenarrede von Thomas Händel vom 04.07.2016

T. Händel, DIE LINKE.: Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit ist Sache der Mitgliedstaaten!

Thomas Händel, Verfasser. Frau Kommissarin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Jugendgarantie und die Jugendbeschäftigungsinitiative sind wesentliche Instrumente zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Wir haben einiges initiiert, um diese Misere zu beenden, aber die Wirkung ist immer noch bescheiden. Ich bin davon überzeugt: Mehr ist dringend nötig.

Gestatten Sie mir aber aus aktuellem Anlass, zu einem Interview von gestern Stellung zu nehmen. Der deutsche Finanzminister, Herr Schäuble, hat gestern die Kommission heftig kritisiert. Wenn sie nicht in der Lage sei, Probleme zügig zu lösen, müssten die nationalen Regierungen sie selbst in die Hand nehmen – miteinander ohne Brüssel. Die Presse hat diese Kritik auch auf die Arbeit der Kommission zum Thema Jugendarbeitslosigkeit interpretiert. Ich bin nun wirklich der Letzte, der mit Kritik an der Kommission spart. Aber nicht nur in dieser Frage sollte sich der oberste Sparapostel Europas besser mal an die eigene Nase fassen. Wer nicht bereit ist, den Sparfimmel in Europa aufzugeben, der einige Mitgliedstaaten in die Situation getrieben hat, dass sie mit ihren Haushalten kaum noch handlungsfähig sind, sollte auf wohlfeiles Brüssel-Bashing besser verzichten.

Richtig ist: Die Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit ist in erster Linie Sache der Mitgliedstaaten, und zwar auch der Mitgliedstaaten mit geringerer Jugendarbeitslosigkeit. Schäuble schlägt nun einen europäischen Ausbildungsverbund vor. Der Gedanke ist nicht ganz neu. Die Kommission sollte ihn dennoch beim Wort nehmen, Frau Kommissarin Thyssen, mit ihm aber auch über einen Ausbildungsfonds reden, an dem sich insbesondere die reichen Mitgliedstaaten beteiligen. Er trifft sich mit Initiativen, die wir im Beschäftigungsausschuss schon diskutiert haben und die ich persönlich in Thüringen und Bayern auch gestartet habe.

Klar ist: Die EU-Ebenen können initiieren, finanziell flankieren und koordinieren. Umsetzen müssen aber die Mitgliedstaaten. Daran hapert es offensichtlich. Wohlgemerkt: Bereits im April 2013 haben die Mitgliedstaaten eine Jugendgarantie gestartet: Allen jungen Menschen soll innerhalb von vier Monaten nach Arbeitslosigkeit oder Schulabgang eine hochwertige Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung bzw.  ein Praktikum angeboten werden. Die Jugendbeschäftigungsinitiative soll jungen Menschen unter 30 Jahren in Regionen mit besonders hoher Jugendarbeitslosigkeit Unterstützung anbieten. Um größere Wirkung zu erzielen, wurden die Finanzmittel bereits in den ersten beiden Jahren des mittelfristigen Finanzrahmens bereitgestellt. Den Mitgliedstaaten wurde erhebliche Vorfinanzierung zur Verfügung gestellt, die 2015 auf 30 Prozent aufgestockt wurde. Aber Papier ist offensichtlich geduldig. Die Jugendarbeitslosigkeit ist immer noch inakzeptabel hoch. Es hat sich etwas getan, aber zu wenig und zu langsam, und die regionalen Unterschiede sind eklatant.

Stellungnahmen und Berichte des Europäischen Rechnungshofes, des Rates der EU-Arbeits- und -Sozialminister und der Mitgliedstaaten liegen nun vor. Wir brauchen nun klare Fakten und Grundlagen für den künftigen Weg und für die Überarbeitung des mehrjährigen Finanzrahmens. Kann die Kommission das Parlament von den wichtigsten Ergebnissen der Bewertungen in Kenntnis setzen? Ist die Umsetzung der Jugendgarantieprogramme korrekt? Wie ist die Qualität der Angebote und die Nachhaltigkeit der Ergebnisse? Sind die Programme und die Ausschöpfung der Mittel auf einem guten Weg? Hat die erhöhte Vorfinanzierung die Ausschöpfung beschleunigt? Wie kann der Zugang zu Finanzmitteln der Jugendbeschäftigungsinitiative und des ESF beschleunigt und vereinfacht werden? Ist die Kommission der Auffassung, dass weitere Investitionen in die Jugendgarantie notwendig sind und die Jugendbeschäftigungsinitiative erweitert werden muss?

Ich will hier das noch einmal betonen, was ich schon mehrmals formuliert habe: Wir verlieren eine ganze Generation, und eine ganze Generation verliert den Glauben an Europa. Das ist eine existenzielle Frage für die Zukunft der jungen Menschen, aber auch für die Zukunft der Europäischen Union. Das ist wohl noch nicht bei allen angekommen.