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12.11.2016, Thomas Händel

Licht und Schatten

Was die kommende maltesische EU-Präsidentschaft bringen kann?

Thomas Händel mit einer Delegation in Malta

Malta stellt ab dem Januar 2017 die nächste Ratspräsidentschaft in der EU. Aktuell nicht der Zeitpunkt, zu dem man sich die Übernahme dieser Verantwortung wünschen möchte. Die Ratspräsidentschaft kann aber Akzente setzen. Was ist von Malta in dieser Hinsicht zu erwarten? Dieser Frage ging eine Delegation des Beschäftigungs- und Sozialausschusses im Europäischen Parlament nach.

Nun erwartet man von einem kleinen Inselstaat am Rande Europas mit nicht mal einer halben Million Einwohner keine Wunderdinge. Dennoch überraschen die Malteser mit so manchen sozialen Standards. So sind z.B. Studiengebühren auf Malta unbekannt. Im Gegenteil: alle StudentInnen erhalten ein Stipendium – diejenigen aus sozial schwächeren Familien mehr, andere weniger. Und vor allem: nicht rückzahlbar. Eine kostenfreie Kinderbetreuung gibt es seit Jahren, jugendliche Arbeitslose erhalten bis zu 3 Jahren nach Arbeitsaufnahme eine zusätzliche Unterstützung.

Auch bei der Aufnahme Flüchtender setzt Malta Beispiele. Sie erhalten eine Arbeitserlaubnis vom ersten Tag an. Das ist nicht nur dem chronischen Arbeitskräftemangel geschuldet – die registrierte Arbeitslosigkeit liegt bei 2,4% – es soll auch die Schattenwirtschaft trocken legen. Deshalb hat man nicht nur mehr Arbeitsinspektoren eingestellt, sondern auch eine „schwarze Liste“ gesetzlich verankert. Wer als Arbeitgeber die Mindestarbeitsbedingungen verletzt, wird auf 2 Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen. Übrigens: bei der Vergabe öffentlicher Aufträge komme nicht der billigste Anbieter zum Zug, sondern derjenige, der Tarifverträge und allgemeine Arbeitsbedingungen einhalte, so die Ministerin für Sozialen Dialog, Dr. Helena Dalli.

Die Ökonomie verzeichnet einen Zuwachs des Bruttosozialprodukts von 4,1% in 2016. 
Der Tourismus, die Binnennachfrage aber auch Finanzdienstleistungen und die Computerspiel-Industrie boomen. Das hat auch seine Schattenseiten. Die Mieten sind in kurzer Zeit um 80% gestiegen, die Zahl der Obdachlosen wächst.

Die Zahl der von Armut bedrohten Haushalte liegt auch nach Sozialtransfers noch bei über 16%, bei den Älteren bei 21% und bei Alleinerziehenden über 45% (alle Zahlen 2015). Bei den Älteren ist das vermutlich ein Ergebnis der seit Jahre geltenden Rentenbegrenzung auf maximal 1208,33 €. Nun soll im Frühjahr eine neue nationale Mindestrente kommen, die allerdings auf private Zuzahlungen abzielt. Bei Alleinerziehenden liegt die Ursache wesentlich an der dürftigen Ausstattung des nationalen Mindestlohns. Er liegt gerade Mal bei 45% des Durchschnittslohns – nicht wie vom Europarlament angestrebt bei 60%. Die Debatte über eine Erhöhung hat gerade begonnen. Während Gewerkschaften, Sozialverbände und die (konservative) Opposition eine deutliche Anhebung fordern, will die (sozialdemokratische) Regierung, so bestätigte mir Sozialminister Michael Farrugia, alles vermeiden, was eine Belastung der Unternehmen bedeuten könnte. Sie setzt auf „in-work-benefits“, steuerfinanzierte Sozialleistungen für Beschäftigte. Die Regierung will weitere Investitionen anlocken. Insbesondere die Bereiche Schiffsregistrierung und Yachtmanagement, Luftfahrt, Finanzen und Investments sowie das Online-Gaming haben auf Malta zahlreiche Vorteile: geringere Auflagen, leichtere Lizensierung, weniger Gebühren, schnellere Erlaubniserteilung. Die will man ja schließlich nicht mit höheren Mindestlöhnen verschrecken.

Thomas Händel mit einer Delegation in Malta

Deshalb wird auch in der europäischen Steuerdebatte von Malta wenig bis nichts zu erwarten sein. Während europaweit über notwendige Untergrenzen für Unternehmenssteuern (siehe Amazon, Apple usw.) diskutiert wird, stehen in Malta Regierung und Opposition mit beiden Beinen auf der Bremse. Zwar hat Malta einen offiziellen Unternehmenssteuersatz in Höhe von 35% und ist damit auf den ersten Blick gar kein günstiger Standort für Unternehmen. Dank des maltesischen Tax-Refund-Systems können Unternehmen aber mit ihren Betriebsstätten eine effektive Endbesteuerung von unter 5% erreichen. Das ist der geringste Steuersatz in der EU. Und die EU-Kommission hat offenbar nichts dagegen einzuwenden.

Hinsichtlich der Ziele der maltesischen Ratspräsidentschaft blieben die Andeutungen gegenüber der Parlamentsdelegation eher vage.

E bleibt die Hoffnung auf Unterstützung bei der geplanten europäischen Säule sozialer Rechte und der Bekämpfung des Missbrauchs der Arbeitnehmer-Entsendung hinsichtlich der eigenen Sozial- und Beschäftigungspolitik.

 

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