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21.05.2019, Thomas Händel

EGB Kongress in Wien

Grußwort Thomas Händels als Vorsitzender des Beschäftigungsausschusses des EP

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 

Meine Damen und Herren,

 

Herzlichen Dank an den Europäischen Gewerkschaftsbund für die Einladung hier zu sprechen.

Für mich ist es sowohl als langjähriger Gewerkschafter als auch als Vorsitzender des Ausschusses für Beschäftigung und soziale  Angelegenheiten im Europäischen Parlament eine große Ehre und - angesichts der Situation in Europa - Herausforderung zugleich.

Gratulieren möchte ich dem ETUC zur Wahl des Tagungsortes

Ich verstehe den Tagungsort Wien als Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit, der Solidarität der europäischen Arbeiterbewegung mit den Kolleg*innen hier, wo der Sozialstaat gerade demontiert und Arbeitnehmer*innen-Rechte geschliffen werden.

Ein guter Ort darüber zu reden, was wir im Europaparlament  im  sozialen Bereich und der Arbeitsmarkt-Politik erreicht haben. Sind wir dem sozialen Europa ein Stück näher gekommen?

Ich denke wir sind auf dem Weg aber längst nicht am Ziel. Vieles hängt jedoch vor allem davon ab, wie die nächsten Generation ParlamentarierInnen in der Lage und Willens sind, die europäische Idee zu verteidigen und für ein soziales Europa zu streiten und die Soziale Säule zu vollenden.

Die Kommission hatte zu Beginn der Legislaturperiode dieAbsicht bekundet, die soziale Komponente der EU zu stärken, 

Die „Soziale Säule“ sollte das verlorene Vertrauen der Bürger zurückgewinnen. Doch das „Bauwerk“, ist längst noch nicht vollendet - was vor allem an der Blockade-Haltung der Mitgliedsstaaten liegt.

Noch in letzter Minute wurde die  Überarbeitung der Richtlinie 883, die die  Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme regeln und zahlreiche Verbesserungen bringen sollte, von eben diesen aus fadenscheinigen Gründen in die nächste Legislatur verschoben.

Dennoch wurde Einiges erreicht. Wir haben

  • den  Arbeitsschutz mit Richtlinien zu krebserregenden Stoffen deutlich verbessert.
  • die neue europäische Arbeitsbehörde verbessert Informationsmöglichkeiten für Beschäftigte und soll Missbrauch bekämpfen.
  • eine Richtlinie schafft transparente und verlässliche Beschäftigungsbedingungen
  • Mit der Entsenderichtlinie haben wir nach 10 Jahren Kampf endlich das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ festgeschrieben, auch für entsandte Beschäftigte.
  • und und und...

Wir wissen aber auch, dass „mobile“ Beschäftigte  auch in anderen Branchen häufig um ihre Rechte betrogen werden. Viele Unternehmen missbrauchen das Recht auf Freizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit, um Arbeits- und Sozialstandards zu umgehen.

Europäische Regelungen müssen sicherstellen, das Mobilität zu fairen Bedingungen stattfindet. Das jüngste Urteil des EuGH ist in dieser Hinsicht ein Segen. Es stellt unter Beweis, welchen Wert europäisches Arbeitsrecht für die Beschäftigten hat. Der Aufschrei der Arbeitgeberverbände läßt tief blicken: So versteigt sich beispielsweise der bayerische Arbeitgeberverband VBM gar zu der These, in Zeiten von Industrie 4.0 sei ein zurück zu Arbeitszeitkontrolle 1.0 unmöglich. Wer so argumentiert beweist: Er will nicht, dass die Beschäftigten zu ihrem Recht kommen - der möchte dem ausufernden Arbeitszeitbetrug Vorschub leisten.

Angesichts der nun reichlich beschriebenen Folgen von Digitalisierung und Industrie 4.0 wäre nicht Entgrenzung und Arbeitszeitverlängerung, sondern genau das Gegenteil angesagt. Ich bin überzeugt: Eine Aushöhlung europäischen Arbeitszeitrechts wird es mit dem Beschäftigungsauschuss im EP nicht geben.

 

Wir haben in der vorletzten Legislatur die beabsichtigte Verlängerung der Arbeitszeit der Fernfahrer von 60 auf 86 Stunden verhindert und ich bin sicher, meine Kolleginnen im Beschäftigungsausschuss sind diesbezüglich Wiederholungstäter

 

Mehr Mitbestimmung Europaweit

 

Wir müssen künftig dafür sorgen, dass Europäische Betriebsräte endlich zu ihrem Recht kommen. 

Sie müssen das Recht haben gehört zu werden, wenn wichtige unternehmerische Entscheidungen anstehen und diese Entscheidungen zu Lasten der Beschäftigten gehen.

Inzwischen ist es aber fast schon gängige Praxis bei immer mehr Arbeitgebern, diese Rechte zu missachten.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

Beschäftigte müssen Vorrang haben vor den wirtschaftlichen Freiheiten des europäischen Binnenmarkts. Zu diesen Rechten gehört die Mitbestimmung durch Arbeitnehmer/innen  in den Betrieben – und zwar in ganz Europa! Zu diesen Rechten gehört auch das Recht  auf einen armutsfreien Mindestlohn in Höhe von 60% des jeweiligen nationalen Durchschnittsverdienstes - und das ist beileibe kein Eingriff in die gewerkschaftliche Tarifautonomie.

 

Vor allem brauchen wir aber endlich ein ambitioniertes Programm für 

Zukunftsinvestitionen für Europa, das Wachstum, Arbeitsplätze, Bildung, Infrastruktur und Wohlstand für alle sichert und fördert. Die Menschen müssen erleben können, dass die EU ihr Leben nachhaltig und konkret verbessert.

 

Unser Leitmotto muss sein: Wir wollen eine Gesellschaft schaffen, in der die Menschen ohne Angst leben können, ohne Angst vor Arbeitslosigkeit, vor Armut, zu geringer Bildungschancen für ihre Kinder, vor Mietwucher, Wohnungsnot  und unzureichender Gesundheitsversorgung,

Vor Umweltzerstörung und Klimakatastrophen…. 

 

Die europäischen Gewerkschaften sind dabei ein unverzichtbarer Partner.

 

Vielen Dank