Menu X
16.07.2015, thomas händel

Beitrag Thomas Händel auf dem informellen Treffen der Arbeits- und Sozial-MinisterInnen der EU:

Pervenche Beres, Nicolas Schmidt und Thomas Händel

Beitrag Thomas Händel auf dem informellen Treffen der Arbeits- und Sozial-MinisterInnen der EU:

"Sehr geehrter Präsident,

Ich möchte anknüpfen an die Bemerkungen der luxemburgischen Familienministerin am Beginn der heutigen Debatte: ein Viertel der europäischen Bevölkerung, lebt an oder unter der Armutsgrenze nach OECD-Definition. Und von den Beschäftigungszielen der Europa-2020-Strategie sind wir meilenweit entfernt.

Die Menschen verlieren den Glauben an das Wohlstandsversprechen dieser Europäischen Union. Das wird aus nahezu jeder Diskussion des Beschäftigungsausschusses im Europäischen Parlament - übrigens fraktionsübergreifend - deutlich. Sie konnten es ja gestern bei Ihrem Besuch bei uns erleben, Herr Minister Schmidt.

Ich will deshalb nochmal kurz einige Elemente definieren, die auch der Beschäftigungsausschuss zur Bekräftigung der sozialen Dimension Europas benannt bzw. diskutiert hat:

Erstens: Die Frage exististenzsichernder Löhne. Ich denke, das wenigstens ein Mindestlohn-Korridor auf europäischer Ebene diesem Ziel förderlich sein könnte.

Zweitens haben wir immer wieder betont, dass die Frage einer sozialen Grundsicherung wichtig ist. Das könnte durch soziale Mindeststandards nachhaltig verfolgt werden.

Drittens: Wir haben mehrfach das Prinzip gleicher Lohn für Gleiche Arbeit am gleichen Ort und gleiche Rechte betont. Wer zukünftig einen europäischen Arbeitsmarkt will und mehr Mobilität haben will kann sich sechs verschiedene ArbeitnehmerInnen-Gruppen auf europäischer Ebene mit unterschiedlichen Rechten schlicht nicht mehr leisten.

Viertens, und das ist eine persönliche Bemerkung: in den letzten Tagen ist die Einhaltung von finanzpolitischen Regeln in Europa diskutiert als wären es die zehn Gebote. Aber bei der Frage der Einhaltung von Arbeitsrechten, von Arbeitszeitbestimmungen, von Grundrechten entsandter ArbeitnehmerInnen u.a. in Europa scheint es sich um Kavaliersdelikte zu handeln. Ich denke, das kann so nicht bleiben. Ohne eine verstärkte Arbeits-Inspektion auf europäischer Ebene mit gemeinsame Levels in den Nationalstaaten wird das auch in Zukunft nicht zu verbessern sein.

Fünftens bin ich überzeugt: ein Protokoll zum Schutz der grundlegenden Sozial- und ArbeitnehmerInnen-Rechte in den Europäischen Verträgen ist unabdingbar, will man die soziale Dimension Europas stärken.

Ob man all das mit der Methode der offenen Koordinierung oder durch parlamentarisch-gesetzgeberische Massnahmen auf europäischer Ebene erfolgen soll werden Sie mich nicht ernsthaft fragen wollen. Selbstverständlich präferiere ich die zweite Variante, in der das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten gesetzgeberisch tätig werden. Nur daraus wird eine vernünftige Performance für ein gemeinsames soziales Europa.

Es wäre allerdings, gestatten Sie mir diese Bemerkung am Schluss, ein Rückschritt, wenn sich zukünftig Institutionen gleich welcher Natur und Zusammensetzung aufschwingen, um sich in arbeits- und sozialrechtliche Verhasstheit eines Landes einzumischen und auch noch alles besser zu wissen wie die ILO. Und zwar ohne demokratische Legitimation und Kontrolle.

Ich denke, wir müssen uns dem Grundsatz annähern, dass Arbeit und soziale Gerechtigkeit keine Neben- oder Abfallprodukte der Ökonomie bzw. der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sind, sondern eigenständige Ziele eines sozialen Europas.

Familienfoto EPSCO Luxenburg

Vielen Dank."