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07.10.2010

LINKE im Europaparlament legt Studie zur Arbeitszeit in Europa vor

Neue europäische Arbeitszeit-Richtlinie geplant

Die Europäische Kommission will im ersten Halbjahr 2011 einen neuen Anlauf zur Revision der geltenden europäischen Arbeitszeitrichtlinie vorlegen. Dazu hat die Linke im Europaparlament nun eine aktuelle Studie zur Entwicklung der Arbeitszeiten in Europa vorgelegt.
Thomas Händel, Mitglied im Ausschuss für Beschäftigung und Soziales der Linken im EP stellt dazu fest: „Die Studie bestätigt eindeutig den positiven Effekt der europäischen Arbeitszeitrichtlinie. Sie hat in den Ländern mit hohen durchschnittlichen Arbeitszeiten eine Entwicklung in Richtung 40-Stunden-Woche eingeleitet. Es gibt es keinen vernünftigen Grund, die Höchstarbeitszeiten auszuweiten.“

Es sei „höchste Zeit für eine neue Beschäftigungspolitik mit dem harten Kern einer strikten Begrenzung auf zunächst 40 Stunden pro Woche“, so Händel. Ziel müsse es sein, möglichst vielen Menschen die Chance auf ein armutsfreies, eigenständiges Leben und Arbeiten zu ermöglichen und die Gesundheit zu schützen. Dafür sprechen auch die Ergebnisse der Arbeitswissenschaft: Je länger die Menschen arbeiten, desto größer die Gefahr für ihre Gesundheit. Unsichere Arbeitsverhältnisse, Schichtarbeit, variable Arbeitszeiten, Arbeit an Abenden und Wochenenden oder schlechte Planbarkeit verstärken dies zusätzlich. Das ergab eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Jahr 2009.

Händel weiter: „Es macht auch gesellschaftlich keinen Sinn, Millionen Menschen mehr als 40 Wochenstunden arbeiten zu lassen, während Millionen andere zu 0 Wochenstunden verdammt sind.“ Rund 60 Prozent der Beschäftigungszunahme in der EU seit 2000 seien Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung. Rund 50 Mio. Menschen in der EU müssen zu Niedrigstlöhnen arbeiten oder sind arm trotz Arbeit. Weitere 23 Mio. sind arbeitslos. „Beschäftigungsstillstand bei mehr sozialer Unsicherheit – ein trauriges „Erfolgsmodell“, so Händel. Die Situation in Deutschland habe jüngst gezeigt, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit durch die Kurzarbeiter-Regelung, begleitet von einem Bündel betrieblicher und tariflicher Maßnahmen, Arbeitsplätze sichert – und zwar mit (Teil)Lohnausgleich. „Der volle Lohnausgleich wäre nicht nur wirtschaftlich nötig, sondern auch finanzierbar“, meint Thomas Händel.

Nun gibt die EU-Kommission mit einer umfassenden Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) offensichtlich dem Drängen des europäischen Arbeitgeberverbands "BusinessEurope" nach. Neben einer Ausweitung der Höchstarbeitszeit von über 48 Stunden pro Woche und weiteren Verwässerungen der bestehenden Regelungen haben die Arbeitgeber auch die Bereitschaftszeiten im Visier. Sie müssen seit dem Urteil des EuGH als Arbeitszeiten gerechnet werden. Thomas Händel ist überzeugt: „Ihnen geht es ganz offensichtlich darum die Arbeitszeiten der „Brauchbaren“ auszuweiten, für die „weniger Brauchbaren“ genügt dann auch Prekarität“.

Laut der Studie des Arbeitszeitforschers Dr. Steffen Lehndorff und seines Teams lag die durchschnittliche geleistete Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten 2008 bei 40,4 Stunden während sie in der EU der 27 Staaten durchschnittlich 40,5 Stunden betrug. Für Deutschland bedeutete das einen Anstieg von 0,7 Stunden seit 1995. Insbesondere Hochqualifizierte arbeiten in Deutschland, Frankreich und Großbritannien heute im Schnitt 2,0 Stunden mehr als Beschäftigte mit mittlerer und geringer Qualifikation.