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29.09.2016, Thomas Händel

Bildung und Investitionen sind der Schlüssel für Integration

Podiumsdiskussion der DIHK und Konrad Adenauer Stiftung

Die folgenden Bemerkungen sind Teile meines Beitrags und auch meiner Schlußfolgerungen aus einer Debatte, zu der DIHK und Konrad Adenauer Stiftung mich gestern in die bayrische Landesvertretung in Brüssel eingeladen hatten.

Gemeinsam mit Thomas Mann (EPP), dem stv. Hauptgeschäftsführer der DIHK Dr. Achim Dercks, dem Unternehmer Franz Pryechowski und dem Leiter des Europabüros der Arbeitsagentur Dr. Wolfgang Müller sollte der Frage nachgegangen werden, wie erfolgreiche Integration von Flüchtenden in den Arbeitsmarkt bestenfalls funktioniert.

Die Besetzung des Podiums ließ erahnen, dass es sich um eine doch sehr deutsche Perspektive drehen würde, die mit der europäischen nur bedingt zu vergleichen ist. Womit eine erste Crux deutlich wird: die Debatte um Integration muss auf vielen Ebenen und dort jeweils mit unterschiedlichen Voraussetzungen geführt werden.

Die EU verzeichnet historische Höchststände bei der Arbeitslosigkeit.

Insbesondere die hohe Jugendarbeitslosigkeit, welche auch noch äußerst ungleichmäßig auf die Union verteilt ist, kann, gemeinsam mit enorm hoher Armut, der Zersplitterung des Arbeitsmarktes und nur langsamer wirtschaftlicher Erholung, zu einem Hindernis für die Integration und Inklusion von Flüchtenden werden. Diese Situation wird durch beschlossene strikte Haushaltskonsolidierung erheblich erschwert.

Bestehende Programme auf Unionsebene reichen schon jetzt bei weitem nicht aus, um diese Aufgabe zu schultern. Der Europäische Sozialfonds wurde gerade um acht Prozent gekürzt, die gerade erst beschlossene Jugendgarantie und Jugendbeschäftigungsinitiative stehen schon als nächste auf dem Kürzungszettel. Andere Instrumente wie der Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds AMIF, der Europäische Fonds für regionale Entwicklung EFRE und der Europäische Hilfsfonds für die am stärksten Benachteiligten FEAD sind entweder zu klein, zu bürokratisch und/ oder zu unflexibel.

Die Kommission will nun in einem Maßnahmenpaket die Lage verbessern und mögliche Lösungen vorschlagen. Sie kommt im Rahmen der New Skills Agenda zu durchaus zu interessanten Erkenntnissen.

In der EU lebende Drittstaatenangehörige verfügen demnach zwar seltener als EU-Bürger über einen Abschluss der Sekundarstufen I oder II. Aber 25 Prozent sind hochqualifiziert, von denen allerdings etwa zwei Drittel nicht erwerbstätig, arbeitslos oder für die derzeit ausgeübte Tätigkeit überqualifiziert sind. Zügig und unbürokratisch müssten hier eigentlich frühzeitig Qualifikationen er- und anerkannt werden, um erste Maßnahmen zur Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Viele Migrant*innen sprechen lt. Kommission die Sprache ihres Gastlandes nur unzureichend. Da wirkt das Programm der Kommission, über drei Jahre hinweg 100.000 Lizenzen für Online-Sprachkurse für Flüchtende auszuloben, wohl mehr als "bescheiden". Und: Fluchtunterkünfte gelten wohl kaum als Hort des Zugangs zum Internet.

Unterm Strich bleibt: Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Wieviel vom Aktionsplan nach der Diskussion durch die Mitgliedstaaten noch übrig bleibt, kann man angesichts des Hick-hacks um die gemeinsame, also europäische Bewältigung der Wellen an Flüchtenden erahnen. Solange dies so ist, und solange die Mittel zur Bewältigung dieser Aufgabe nicht drastisch erhöht werden, bleiben die folgenden Gedanken fromme Wünsche.

Zuvorderst sollte sich die Kommission vom bisher verfolgten Weg des Nützlichkeits-Rassismus verabschieden. Asyl ist ein Menschenrecht, dass nicht von der ökonomischen Verwertbarkeit des oder der Flüchtenden abhängen darf. Auch erscheint eine Unterscheidung zwischen Kriegsflüchtenden und sogenannten „Wirtschaftsflüchtlingen“ geradezu zynisch, machen sich doch auch letztere nicht etwa auf den Weg, weil sie in Ihrem Heimatland nicht ihren Traumberuf ergreifen können, sondern dort ihre menschliche Existenz grundlegend bedroht ist. Im Übrigen unter kräftigem Zutun der EU!  Hier sei mir ein Verweis auf für die Partner der EU selten günstigen sogenannten Partnerschafts- und Handelsabkommen erlaubt.

Für eine erfolgreiche Integration auf dem europäischen Arbeitsmarkt müssen ein paar grundsätzliche Regeln vereinbart werden: Die Schaffung von Sonderarbeitsmärkten für Flüchtende, Aufweichungen von Mindestlöhnen und Tarifverträgen verschärfen die Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt und stehen einer erfolgreichen Integration diametral entgegen und sind deshalb grundsätzlich abzulehnen.

Die Erfassung aller zu uns kommenden Menschen ist schon deshalb wesentlich, um Schattenwirtschaft und illegaler Beschäftigung mit allen Nachteilen für Beschäftigte und Flüchtende entgegen zu wirken.

Sprache ist der Schlüssel zu Integration. Deshalb stehen allgemeine und berufliche Sprachförderung im Zentrum der zu bewältigenden Anstrengung. Bildungsangebote müssen in dieser Phase natürlich mehrspachig vorliegen, damit sich Ankommende frühzeitig orientieren können. Schon während des Verfahrens zum Aufenthaltsstatus müssen den Flüchtenden Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme geboten werden, eine Arbeitserlaubnis ist daher schon in dieser frühen Phase unumgänglich. Selbstverständlich dürften Menschen, die in Ausbildung sind, nicht abgeschoben werden. Die schnelle und unbürokratische Anerkennung von Berufsabschlüssen und Qualifikationen müssen mit staatlichen Mitteln Anpassungsqualifizierungen ermöglicht werden.

Am Ende aber wird es ohne Jobs keine Integration geben. Deshalb sind massive Mittel zur Beseitigung des Investitionsstaus und zur Re-Industrialisierung vonnöten. Hier hat die Kommission bis heute nur versprochen, aber nicht geliefert. Soll die ambitionierte Agenda also zeitnah und sinnvoll umgesetzt werden, liegt hier der Schlüssel. Mit den bisherigen Ankündigungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU und den beabsichtigten Haushaltskürzungen geht das sicher nicht. Deshalb braucht die dringend nötige Besserung der Verhältnisse mehr Druck - nicht nur aus dem Parlament.